FACTS
Verheiratet 2 Kinder / wohnhaft in Grabs SG/ 15 Jahre in der Romandie VS und NE/ Diplom Primarschullehrerin / Sportlehrerin / Trainer Swiss Olympic /Mentaltrainer SASP / Instruktorin Swiss Snow Sport / Herztherapeutin SAKR / Erwachsenenbildnerin SVEB
Sportliche Leistungen: während 14 Jahren Spitzensport, 14 Nationale Auszeichnungen in 4 verschiedenen Ausdauersportarten : Duathlon, Triathlon Sommer-Winter, Laufsport, Velorennsport, 2 Tours de France und Giro Italia
INTERVIEW
BP : Karin, wir kennen uns seit mehreren Jahren. Du bist ein Vorbild an Vielseitigkeit und Energie. Viele unserer Leser kennen Dich auch, denn sie haben oft die Gelegenheit erhalten, Dich als Instruktorin in einem Weiterbildungskurs zu erleben. Kannst Du uns bitte erzählen, wie Du Deine vielzähligen Aktivitäten strukturierst?
KM : Nach 15 Jahren Wettkampfsport als Halb-Profi (ich habe immer nebenher unterrichtet) habe ich mich hauptsächlich der Lehrer- sowie der Trainerweiterbildung zugewandt. Da treffen 3 „Welten“ aufeinander: der Leistungssport, hier sprechen wir von Konditions-und Techniktraining, die Bewegung in der Schule sowie der Bereich « Gesundheitsförderung-Wohlbefinden ».
BP : Ich stelle fest, dass Deine Vorliebe seit mehreren Jahren der « Aktiven Kindheit » gilt, erkläre uns bitte warum.
KM : Bereits in den 80er-Jahren hat dieses Thema sehr viele Spezialisten mobilisiert, vor allem in der Schweiz, in Deutschland und Österreich. In der Schweiz kann man zum Beispiel Urs Illi zitieren, damals technischer Verantwortlicher des SVSS (Schweizerischer Verband für Sport in der Schule). Eine grosse Anzahl an Publikationen wurde veröffentlicht. Mehr Bewegung im Klassenzimmer war ein zentrales Thema, vielleicht sogar mehr als heute. Wenn man bedenkt, dass es noch keine Smartphones, Notebooks oder elektronische Spielkonsolen gab, welche stark zum Bewegungsmangel beitrugen, stimmt dies nachdenklich.
BP : Willst Du uns damit sagen « früher war es besser » ?
KM : Nein nicht wirklich. Was mich beschäftigt ist, dass der Bewegungsmangel der 4-12 Jährigen immer zunimmt. Die elektronischen Medien sind imstande, einen grossen Teil der künftigen Erwachsenen von morgen zu „immobilisieren“. Ich wiederhole nicht, welche Konsequenzen für die allgemeine Gesundheit aus diesem Bewegungsmangel entstehen.
BP : Aber was läuft da nicht rund ?
KM : Was nicht rund läuft ist unser „Föderalismus“ und zum Teil Kantönligeist. Es bestehen Lehrpläne aber sie lassen Vieles offen. Entscheidungen betreffend Gesundheits- oder Bewegungsförderung werden oft auf kantonaler und noch schlimmer, auf Gemeinde-Ebene gefällt . Und hier ist es dann oft nur der finanzielle Aspekt, der eine Rolle spielt. Wenn ich daran denke, dass das Programm « Schule bewegt » des BASPO (Bundesamt für Sport Magglingen) , welches seit über 10 Jahren sehr präsent war in den Klassen, aus finanziellen Gründen eingestellt wurde, enttäuscht mich das sehr.
BP : Du hast während 15 Jahren in der Romandie gelebt und gearbeitet. Wie sieht Deine Erfahrung aus?
KM : Ich habe ein echtes Interesse seitens der Schüler, Eltern und Lehrer festgestellt. Hingegen auf Autoritäts-Ebene hatte ich oft den Eindruck, in die Wüste zu rufen!
BP : Gut, das ist ernüchternd. Gibt es trotzdem einen Grund sich zu freuen?
KM : Ja natürlich, die Akteure in diesem Bereich setzen sich mit Herzblut ein. Gerne erwähne ich Prof.Dr.Lukas Zahner (DSBG Basel) der eine kolossale Arbeit leistet.
l’école propice au mouvement / Bewegungsfreundliche Schule,
Enfance active – vie saine / Aktive Kindheit – gesund durchs Leben,
Radix avec les programmes Purzelbaum / Radix mit den Programmen Purzelbaum,
Fit for Future projet scolaire / Fit for Future Schulprojekt,
Auch verschiedene Schweizer Sportverbände (STV Schweizerischer Turnverband, Swiss Ski) leisten eine beachtliche Arbeit, betreffend Prävention und Gesundheitsförderung. Leider ist es wie bei anderen Themen: Es gibt Menschen, die sich extrem viel bewegen und jene die Bewegungsmuffel sind. Ziel wäre es, dass diese beiden Gruppen sich annähern könnten.
BP : Wir haben verstanden, dass die 3-4 Turnstunden in den Schulen (je nach Kanton) nicht genügen. Welches ist die Basis der bewegungsfreundlichen Schule?
KM : Lass mich zuerst eine Bemerkung zu den 3-4 Stunden machen. In der Primarschule ist das Bewegungsbedürfnis bei den Kleinsten am grössten. Wen finden wir da in der Rolle der Lehrperson? Primarlehrer, die zwar Sport unterrichten, aber oft keine Spezialisierung dafür haben. Die Sportlehrer werden erst an der Oberstufe angestellt. Das ist schwer zu verstehen……vielleicht ist das ja so, weil es immer schon so gemacht wurde.
Um auf Deine Frage zurück zu kommen. In der bewegungsfreundlichen Schule wird Wert auf Bewegtes Lernen, sowie Bewegungspausen gelegt. Vor der Schule, in der Klasse, während der Pause, in den Gängen, bei Ausflügen in die Natur. Spielerisches Lernen in Bewegung bringt ausgezeichnete Ergebnisse. Gleichgewichts- und Koordinationsübungen helfen, dass die beiden Gehirnhälften besser zusammenarbeiten. So kann flexibleres, vernetztes Denken gefördert werden.
Ausserdem gibt’s den Tracking Effekt: Personen, welche sich in der Kindheit regelmässig bewegt haben, treiben eher regelmässig Sport als Erwachsene.
BP : Seitens Vistawell, haben wir konstant diese Bewegungsmotivation der Jugend unterstützt : ab den 90 Jahren und dem Erscheinen der Sitzbälle in den Schulen. Auf Deine Erfahrung bauend, welches Material würdet du für die bewegungsfreundliche Schule empfehlen?
KM : Einfache Sachen ,welche sich gut fürs Klassenzimmer eignen. Ich habe sechs Materialsets für verschiedene Situationen und Einsatzorte erstellt. Dies hilft am Anfang eine gewisse Auswahl zu treffen. Anschliessend spricht die Erfahrung.
BP : Man versteht, dass der Wille mehr Bewegung in die Klassen zu bringen, viel von der Überzeugung und dem Wollen der Lehrpersonen abhängt. Welche Ratschläge kannst Du betreffend Weiterbildung in diesem Bereich geben?
KM : Es gibt Ausbildungen für die « Bewegungsfreundliche Schule » welche von den Pädagogischen Fachhochschulen in verschiedenen Kantonen angeboten werden. Persönlich gebe ich Kurse auf Anfrage in diversen Schulen (lokale Weiterbildungen) oder Workshops an nationalen Tagungen. Wenn die Lehrpersonen sich für das Programm Fit-4-Future einschreiben, erhalten sie 2x pro Jahr eine Weiterbildung durch Spezialisten aus dem Bereich Bewegung, Ernährung und Brainfitness.
BP : Um immer aktuell bei Deinem Thema zu bleiben, informierst Du Dich ständig an den neusten Entwicklungen. Was ist top momentan?
KM : Für mich ist es das strukturierte Gleichgewichtstraining.
Wichtig ist zudem in unserer Zeit, die Bewegung im Alltag auszuleben: entweder in der Schule oder an der Arbeit und zudem die Anzahl Sitzstunden zu verringern!
Lösungen für bewegtes Lernen finden oder wenigstens wechselnde Arbeits-Positionen einzunehmen würde schon helfen.
Beispiel: Gleichgewichtstraining ist auch mit Kraft-oder Koordinationsübungen kombinierbar.
BP: Vielen Dank Karin und BRAVO, solchen Personen wie Dir begegnet man nicht jeden Tag!