Fragen von Bernard Prébandier BP
Antworten von Jean-Pierre Egger JPE

Jean-Pierre Egger 

BP: Jean-Pierre, Deine Erfahrung von über 50 Jahren in den Bereichen Sportunterricht, Leistungssport als Sportler und die Funktion als Konditionstrainer und Trainer auf höchstem Niveau macht Dich zu einem einzigartigen und unersetzlichen Zeugen. Beginnen wir beim Anfang, ich würde gerne erfahren, wie Du die Entwicklung als Turnlehrer dieser Disziplin siehst.

JPE : Es gab mehrere Etappen. Zu Beginn meiner Tätigkeit als Turnlehrer galt die traditionelle Gymnastik als Modell, welche manchmal paramilitärischen Einfluss hatte. In den 70-80 Jahren, sicherlich inspiriert durch die Entwicklung der Moral, gewann der Aspekt Spaß am Sport, mehr Freiheit, mehr Spiel, weniger Ernst im Training. Dann, in Hinsicht auf die mittelmässigen Leistungen des Schweizer Sports auf internationaler Ebene, kehrten wir zu strengerer Disziplin zurück, was die Leistung verbesserte.


BP : Heute soll der Sport in der Schule (traditioneller Sportunterricht und Bewegungsklassen) den Mangel an Möglichkeiten für junge Menschen sich zu bewegen und Dampf abzulassen ersetzen. Zumal in ihrer Freizeit (viele Verbote, elterliche Ängste vor allen möglichen unvorstellbaren Risiken) wenig Platz dafür bleibt. In der Praxis sehen wir, dass wenn wir die Kosten für die öffentliche Bildung reduzieren vorwiegend zuerst beim Sportunterricht gespart wird. Wie siehst Du das?

JPE : Es ist eine endlose Debatte. Erwiesen ist, dass körperliche Aktivität die intellektuelle Lernfähigkeit des Kindes fördert und später den Erwachsenen erlaubt, länger bei guter Gesundheit zu leben. Kinder sollten täglich eine Stunde körperliche Aktivität, je nach Kind auch mehr, zur Verfügung haben.
Unsere Universitäten bilden ausgezeichnete Sportlehrer aus. Und wo finden wir diese wieder? Auf den Gymnasien, mit Jugendlichen im Alter von 15-19 Jahren. Jeder weiß, dass zwischen 5 und 12 Jahren alles Physiologische geschieht ... es ist erschütternd zusehen zu müssen, dass wir all diese Prinzipien vergessen, sobald die Ausgaben in die roten Zahlen rutschen!


BP : Gut, jetzt zu einem anderen Thema….sprechen wir von Leistungssport. Von vielen verschrien: warum wollen wir immer schneller sein, weiter werfen, höher springen? Was müssen sich diese Athleten beweisen? Wie siehst Du es als ehemaliger Athlet und heutiger Konditionstrainer? Was treibt euch?

JPE : Als Athlet wollte ich an den Olympischen Spielen teilnehmen! Es war für mich philosophisch, sozial und menschlich Selbstzweck, Traum meiner Selbstverwirklichung ein seltenes Ereignis universeller Brüderlichkeit, von Wetteifer geprägt und dafür haben wir gearbeitet und gearbeitet. Teilnehmen zu dürfen war für mich persönlich eine große Zufriedenheit und daraus keimte mein Antrieb das Abenteuer fortzusetzen, indem ich diese Werte an meine Schüler und später an meine Athleten weitergeben durfte. All die Coaches, die ich während meiner langen Karriere in Magglingen beim Bundesamt für Sport ausgebildet habe, konnten diese Motivation in mir spüren. Neugierig sein, seine Grenzen überschreiten, sich selbst herausfordern ist mein Antrieb.
Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass einige sehr weit entfernt von meinem Konzept leben und dabei vollkommen zufrieden sind.


BP : Was kannst Du uns zum Sport-Business sagen?

JPE : Es ist bedauerlich zu sehen dass einige Sportarten, wie Fußball auf höchstem Niveau, verdorben werden. Spieler-Betrüger, aggressive Massen und Medien, illegale Wetten sind leider nur allzu oft Zeichen unserer sich wandelnden Gesellschaft. Ich frage mich oft, ob sich all diese Talente und all die Bemühungen lohnen, um dorthin zu gelangen - was für ein Vergeuden !


BP : Körperliche Vorbereitung auf hohem Niveau ist ein komplexer Bereich mit Einbeziehung multifaktorieller Fähigkeiten: Techniken, Methoden von Trainings- und Wettbewerbsstrategien, Biomechanik, Sportphysiologie, Leistungsteste, Psychologie und mentale Vorbereitung, Traumatologie, Typologie, Ernährung und Regeneration, sowie Neurowissenschaften. Was ist die Aufgabe dieser Profis?

JPE : All diese Anstrengungen sind lediglich dazu da, um am richtigen Tag die beste Leistung der Athleten oder des Teams zu erzielen. Die Leistung des Sportlers zu fördern, ohne dabei die körperliche und geistige Gesundheit des Sportlers zu schädigen, ist die große Herausforderung des Trainers und des Konditionstrainers… Deren Aufgabe ist es aber auch, die spätere Umorientierung vorzubereiten.


BP: Auf höchster Ebene von Top-Athleten spricht man regelmäßig von Doping. Es ist bekannt, dass viele im letzten Jahrhundert erreichten Weltrekorde nie angefochten werden können, da diese durch super gedopte Athleten realisiert wurden. Du hast diese Epoche miterlebt, welches ist dein Fazit?

JPE : Ich war in der Tat sehr naiv zu glauben, es genüge Dopingtests einzuführen um dem Problem entgegenzuwirken! Während viele Länder, darunter auch die Schweiz, hervorragende Arbeit geleistet haben, erzieherisch als auch "polizeilich", sind doch einige nationalistische Dämonen aufgetaucht.
Wenn wir die verschleierten «therapeutische Fenster» hinzufügen, die seit vielen Jahren geschlossen schienen, stellen wir fest, dass diese offenbar mit Zustimmung der höchsten Behörden in Dopingangelegenheiten noch heute offen sind. In diesem Bereich gibt es noch viel zu tun, insbesondere sollten wir uns fragen: Wie weit darf unsere moderne Medizin einschreiten oder sollte der Hochleistungssport ohne Schaden der körperlichen und geistigen Gesundheit unseren professionellen Elite-Athleten dienen? Diese Medizin, sollte sie sich nur auf die "Wiederherstellung" des Athleten konzentrieren oder die Leistung erleichtern? In einer Zeit, wo wir über Gendoping sprechen müssen wir uns überlegen, ob es Sinn macht, einen Übermenschen oder Roboter erzeugen zu wollen!!!
So kurz vor meiner Pensionierung als Trainer und Coach kann ich sagen, dass Doping stets Besorgnis und Fragen in mir weckte. Die Freude, an der täglichen Arbeit mit freiwilligen Athleten in allen Bereichen und an deren Verwirklichung ihrer Kindheitsträume beitragen zu dürfen, ist meine wahre Quelle an Energie und Motivation.


BP : Viele wissen nicht, dass Du seit vielen Jahren im Corporate-Coaching und Teambuilding mit unbestrittenem Erfolg tätig bist. Kannst Du uns mehr darüber sagen?

JPE : Ein Trainer ist auch Veranstalter, Planer, Einiger und Motivator, mit dem Anliegen, seinen Job so gut gemacht zu haben, dass daraus Exzellenz und Leistung entsteht. All diese Aspekte finden wir ebenfalls in der Arbeitswelt. Die Tugenden des Sports sind leicht übertragbar.
Meine multiplen und abwechslungsreichen Erfahrungen im Teamsport auf hohem Niveau - vor allem die Erfahrung mit dem Team Alinghi, Gewinner des America's Cup in Auckland im Jahr 2003 – bestätigen wie wichtig Coaching und Teambildung sind, um Herausforderungen zu gewinnen. Es gibt keinen Platz für Zufall, wenn man seine Träume leben will, anstatt sein Leben zu träumen! Meine Zusammenarbeit mit dem Unternehmen war ein enormer Mehrwert in meiner Karriere. Wer gibt bekommt meistens viel mehr zurück!


BP: Kommen wir zum Schluss! Was bringt der Sport konkret den Jungen unseres Landes?

JPE: Die Kardinaltugenden des Sports: gewinnen können, aber vor allem verlieren lernen. Andere Kulturen und Sprachen kennenlernen, über sich hinauszuwachsen, lernen mit seinen eigenen Energien umzugehen, gegenüber sich selber und anderen tolerant sein. Kurzum: LEBEN lernen.


BP : Es war eine Ehre, mich mit Dir zu unterhalten. Danke von ganzem Herzen und viel Glück für Deine Zukunft !